Mehr Steuergerechtigkeit

Der Name des Gesetzesvorschlages ist sehr sperrig: Die Gemeinsame Konsolidierte Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage (GKKB). Das tut seiner Bedeutung jedoch keinen Abbruch. Denn die Initiative will der gängigen Praxis der Gewinnverlagerung einen Riegel vorschieben. Konzerne, die der Körperschaftssteuer unterliegen, verlagern ihre Gewinne mit legalen Bilanztricks in Länder mit Niedrigsteuern. Der Fiskus des Landes, in dem die Gewinne wirklich anfallen, geht hingegen leer aus. Hierdurch entziehen sich viele transnational tätige Unternehmen auf Grund rechtlicher Schlupflöcher ganz legal einer angemessenen Besteuerung. Die Konsequenz: Während die EU-Staaten mit immer niedrigeren Steuern um Konzerne buhlen, laufen die öffentlichen Kassen leer. Schätzungen zufolge entgehen alleine dem deutschen Fiskus durch solche Bilanztricks jährlich Einnahmen in Höhe von 15 Milliarden Euro.

Das in Europa zersplitterte Besteuerungswesen für Großkonzerne mit seinen 27 verschiedenen Regelwerken ist der ideale Nährboden für solche Bilanztricksereien. Daher geht der Kommissionsvorschlag für eine GKKB in die richtige Richtung: Statt 27 verschiedener Regelungssysteme soll es eine gemeinsame EU-Richtlinie geben. Die Kernmaßnahme zur Einschränkung von Bilanztricksereien: Die Regeln zur Gewinnermittelung (Bemessungsgrundlage) werden EU-weit harmonisiert.

Doch die Kommission scheint bei der Formulierung ihres Vorschlags Angst vor der eigenen Courage bekommen zu haben. Denn die Konzerne sollen selber darüber entscheiden können, ob sie nach EU-Regeln oder nach dem System des nationalen Rechts besteuert werden. Das Europäische Parlament fordert hingegen, Konzerne zur Übernahme der EU-Standards nach spätestens fünf Jahren zu verpflichten. Sie sollten sich ihre Steuergesetze nicht aussuchen dürfen. Stattdessen brauchen wir in Europa Verbindlichkeit und klare Verhältnisse bei der Besteuerung. Neben der Harmonisierung der Bemessungsgrundlage spielt die Angleichung der Körperschaftssteuersätze eine wichtige Rolle im Kampf gegen Steuerdumping. Enorme Unterschiede bei den Körperschaftssteuersätzen zwischen 10 und 35 Prozent sind ein Beleg hierfür. Daher wäre mittelfristig die Einführung von Mindeststeuersätzen ein wichtiger Beitrag für mehr Steuergerechtigkeit. Zu diesem Thema schweigt sich die Kommission jedoch bis jetzt leider aus.

Die Entscheidungsbefugnis in Sachen Steuergesetzgebung liegt weiterhin bei den EU-Staaten. Die Regierungen wären deshalb gut beraten, sich den Forderungen des Parlaments anzuschließen. Allerdings ist zu befürchten, dass die Mitgliedstaaten wenig Rücksicht auf das europäische Allgemeinwohl nehmen, sondern sich bei ihrer Entscheidung von nationalen Eitelkeiten und innenpolitischen Erfordernissen leiten lassen. Ihre derzeitige Zurückhaltung in Sachen Finanztransaktionssteuer dokumentiert dieses politische Klein-Klein.