Der endgültige Ausstieg

Fukushima stellt alles in Frage. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse zum Sicherheitsrisiko der Kernenergie offenbart die japanische Tragödie zwar nicht. Denn schon zuvor – spätestens seit Tschernobyl – wussten wir um die Gefahr eines außer Kontrolle geratenen Atommeilers. Doch Japan führt uns leider erneut auf schmerzliche Weise vor Augen, welch existenzgefährdendes Risiko die Atomkraft für Mensch und Umwelt birgt. Die von der Bundesregierung lange Zeit als alternativlos betrachtete Laufzeitverlängerung erweist künftigen Generationen einen Bärendienst. Auch Deutschland ist trotz einer weniger erdbebensicheren Lage nicht vor einem Supergau gefeiht. Durch einen unfallartigen oder terroristisch motivierten Absturz einer Passagiermaschine könnte auch die Situation in einem deutschen Kernkraftwerk eskalieren.

Die japanische Reaktorkatastrophe bewegt nicht nur die Menschen in Deutschland. Auch das EU-Parlament debattiert darüber, dass es ein Weiter so nicht geben kann. Gerade weil atomare Unfälle keine nationalen Grenzen kennen, gehört die Atompolitik auf europäischer Ebene von Grund auf reformiert. Auf ihrem Frühjahrsgipfel hatten die Staats- und Regierungschefs der EU neue Sicherheitschecks für alle 143 Atomkraftwerke in Europa vereinbart. Dabei wollen sie unter anderem Gefahren durch Erdbeben, Hochwasser und terroristische Attacken sowie die Notwendigkeit zusätzlicher Kühlsysteme und Stromaggregate überprüfen. Die Teilnahme an den vorgeschlagenen Stresstests ist allerdings freiwillig und soll zudem unter der Aufsicht der nationalen Behörden stehen. Ebenso sind Umfang, Modalitäten und Folgen der Tests bislang ungeklärt.

Aus sozialdemokratischer Sicht geht die Vereinbarung daher nicht weit genug. Europa braucht verbindliche Standards, die sicherstellen, dass Kernkraftwerke mit Mängeln umgehend vom Netz gehen. Dafür bedarf es jedoch unabhängiger Tests, die auch Transport und Entsorgung der Brennelemente mit einschließen. Für die Endlagerung muss das Verursacher-Prinzip gelten. Darüber hinaus fordern wir von den Mitgliedstaaten deutlich mehr Anstrengungen bei der Steigerung der Energieeffizienz und der Förderung erneuerbarer Energien sowie eine verbindliche Strategie für einen schnellstmöglichen Ausstieg aus der Atomenergie. Deutschland war vor nicht allzu langer Zeit kurz davor. Der von Rot-Grün eingeleitete Ausstieg darf jetzt nicht weiter aufgeschoben werden.