"Krise erfordert zwingend neue Regulierung"

“So viel Einmütigkeit wie jetzt beim Krisengipfel der Staats- und Regierungschefs hätte ich mir in den vergangenen Jahren gewünscht, als wir strengere Regeln für die Finanzmärkte gefordert haben. Dies wurde von der EU-Kommission und den konservativ-liberal regierten EU-Mitgliedsländern stets abgelehnt”, hebt der SPD-Europaabgeordnete Dr. Udo Bullmann hervor. Das nun angesichts der Finanzmarktkrise geschnürte Rettungspaket bezeichnet der Wirtschaftsexperte jedoch als “wichtigen und richtigen Schritt”. Allerdings dürfe es die EU nicht dabei belassen.

“Aus der gegenwärtigen Krise leiten sich zwingend neue Regulierungen auf nationaler wie auf europäischer Ebene ab. Darüber hinaus brauchen wir nachhaltige Impulse für die Realwirtschaft in Form einer intelligenten und koordinierten Wachstumsstrategie. Das ist Politik im Interesse der europäischen Unternehmen, ihrer Belegschaften sowie der Verbraucherinnen und Verbraucher” betont Bullmann.

Die Sozialdemokratische Fraktion im Europäischen Parlament werde sich daher auch über das aktuelle Rettungspaket hinaus für langfristig sichere Finanzmärkte einsetzen. Zu den wichtigsten Aufgaben im Bereich der Regulierung zählt der Wirtschaftsexperte die folgenden Punkte:

  • Mehr Transparenz herstellen

Die Risiken strukturierter Produkte verpflichtend offen legen; bessere Information über Finanzmarktakteure für Aufsichtsbehörden; Registrierung der Personen, die hinter Fonds stehen;

  • Systemische Risiken verringern

Höhere Eigenkapitalanforderungen bei Kreditvergabe an intransparente Akteure (wie häufig Hedge Fonds); Leverage Limits zur Bestimmung von nötigem Eigenkapital im Verhältnis zum aufgenommenen Fremdkapital;

  • Kreditmanagement verbessern

Obergrenzen für die kurzfristige Refinanzierung langfristiger Darlehen (Fristenkongruenz); Regelung für Großkredite (nicht mehr als 25 Prozent des haftenden Eigenkapitals an einzigen Kreditnehmer ) auch für Nichtbanken;

  • Selbstbehalt bei Verbriefung von Krediten

Ankauf von Produkten, nur wenn Emittent selbst Anteile hält (mindestens 20 Prozent); Zweckgesellschaften in Bilanzen rückführen;

  • Vergütungssysteme neu ausrichten

Realistische Vergütungen (auch für den Fall von Misserfolgen), die sich an der langfristigen Unternehmensentwicklung orientieren;

  • Ratingagenturen kontrollieren

Interessenkonflikte auflösen, Wettbewerb stärken, auch mit einer europäischen Agentur Qualitätsprodukte zertifizieren;

  • Regulierungslücken schließen

Hedge Fonds und Private Equity europäisch regulieren;

  • Europäische Aufsicht stärken

Aufsichtskollegien und Level-3-Ausschüsse mit qualifiziertem Mehrheitsentscheid, Mediation und Entscheidungsfähigkeit auf europäischer Ebene herstellen.

“Zurzeit überbieten sich die Akteure mit Rettungsvorschlägen. Aber erst wenn sich der Staub der Krise gelegt hat, wird sich zeigen, was von dem plötzlichen Reformeifer wirklich zu halten ist. Der Staat beseitigt nicht mit Steuermilliarden den Scherbenhaufen eines aus dem Ruder gelaufenen Finanzmarktes, um anschließend das Feld wieder den Zockern und Profithasardeuren zu überlassen”, bekräftigt Bullmann. “Es ist vielmehr geboten, jetzt den Hebel umzulegen. Ein solide funktionierender Finanzmarkt muss sich durch langfristige Sicherheit auszeichnen und zu Wachstum und Beschäftigung beitragen.”