Was Draghi nicht gemeint haben darf

Vorsitzender der Europa-SPD beklagt mangelhafte Strategie für Europas Zukunft

Der Präsident der Eurogruppe, Jeroen Dijsselbloem, hat den Abgeordneten des Wirtschaftsausschuss im Europäischen Parlament am Donnerstag die wirtschaftliche Entwicklung in Europa aus seiner Sicht beschrieben. „Überraschenderweise schildert Herr Dijsselbloem die Lage in Europa in den schillerndsten Farben – ein stabiles BIP-Wachstum sowie sinkende Schuldenstände seien zu beobachten“, wundert sich Udo Bullmann, Vorsitzender der SPD-Abgeordneten im Europäischen Parlament.

„Die Zustände in Europa, die man sieht, wenn man mit offenen Augen durchs Leben läuft, haben nichts mit Herrn Dijsselbloems Bildern zu tun. Die Daten sind sehr alarmierend. Der Euroraum bewegt sich auf eine langanhaltende Stagnation zu, die Deflationsrisiken sind real“, kommentiert der Wirtschaftsexperte. So betrug die Inflationsrate im August nur noch 0,3 Prozent, das Wirtschaftswachstum schwächt sich nicht nur in der Peripherie, sondern auch im Kern Europas ab – so soll beispielsweise die deutsche Wirtschaft nach einem Negativwachstum von 0,2 Prozent im 2.Quartal im laufenden Quartal bei 0,0 Prozent stagnieren.

Unterstützung bekommt der Sozialdemokrat von ungewohnter Stelle – so richtete Zentralbankchef Mario Draghi im US-amerikanischen Jackson Hole einen Appell an die Regierungen, stärker auf die Finanzpolitik zur Bekämpfung der Wirtschaftsschwäche in der Eurozone zu setzen. „Selbst der oberste Währungshüter, der für seine Einmischung in die Politik nicht gerade bekannt ist, fordert jetzt indirekt eine Pause für die restriktive Finanzpolitik. Umso bedrückender ist, dass immer noch kein Umdenken stattfindet“, sagt Udo Bullmann. So engten Vertreter der Konservativen im Wirtschaftsausschuss Draghis Argumentation auf Strukturreformen ein. „Was Draghi nicht gemeint haben darf“, kommentiert Udo Bullmann.

Nach seiner Vision für Europa – über die aktuelle Krisenlösung hinaus – befragt, habe der Eurogruppenchef laut Udo Bullmann nicht allzu viel vorgetragen. Dijsselbloem empfiehlt, auf die Agenda der EU-Kommission zu warten. „Führungspersonen in Europa müssen große Europäer sein, die wissen, wo sie hinwollen“, sagt Udo Bullmann, enttäuscht von der Antwort.