Brüsseler Spitzen - Der Bembel lebt

Kürzlich geisterte wieder ein Aufreger durch die Presse und die sozialen Medien – die EU will den Bembel verbieten, unerhört. Es erhob sich ein Sturm der Entrüstung gegen die EU und ihrer scheinbar ausser Kontrolle geratenen Regulierungswut. Wir alle durften die grünen Wirtschaftsminister al-Wazir (Hessen) und Lemke (Rheinland-Pfalz) staunend beobachten, wie sie zur Rettung des Bembels nach Berlin eilten und scheinbar eine Ausnahmegenehmigung der letzten Minute erwirkten.

Dabei ist klar, dass die Europäische Union von den Regionen und ihren Eigenheiten lebt und diese auch unter allen Umständen schützen wird. Wenn Reisefreiheit herrscht, Niederlassungsfreiheit, brauchen Menschen eine Heimat, mit der sie sich identifizieren können – und Politiker, die sich dessen bewusst sind. Das Europa der Regionen und die Anerkennung der kulturellen Vielfalt der Regionen ist eines der wichtigsten politischen Konzepte der EU, deshalb wird genau diese kulturelle Vielfalt gefördert und gepflegt, nicht abgeschafft. Die EU würde keine regionalen Besonderheiten, Spezialitäten und Vorlieben verbieten, “die EU-Regeln geben den nationalen Akeuren bewusst großen Spielraum, um regionale Traditionen zu schützen” so die Kommission am vergangenen Donnerstag. Die viel diskutierte Richtlinie aus dem Jahr 2004 (2004/22/EG) gilt wie viele andere Richtlinien dem Verbraucherschutz. Von 2015 dürfen nur noch Gefäße verwendet werden, deren Messtrich von außen gut sichtbar ist, so dass der Gast erkennen kann, ob die angegebene Menge tatsächlich drin ist. Daher gilt ein Bierkrug künftig als “gesetzliches Messgerät”. Es liegt jedoch im Ermessen jedes EU-Staates, ob und wie sie davon Gebrauch machen – und vor allem auch, wo die Ausnahmen sind.

Da verwundert es, wenn der hessische Wirtschaftsminister wie der grüne Ritter von trauriger Gestalt gegen europäische Windmühlen reitet, die gar keine Gefahr darstellen, anstatt frühzeitig in Deutschland an geeigneter Stelle sicherzustellen, dass der Bembel geschützt wird. Niemand wollte den Bembel verbieten, am allerwenigsten die EU. Allerdings muss man sich auch darauf verlassen können, dass sich die Landesregierungen der kulturellen Vielfalt ihrer Region bewusst sind und diese entsprechend an richtiger Stelle vertreten können.

Meine Kolumne “Brüsseler Spitzen” erscheint alle 14 Tage im Gelnhäuser Tageblatt und befasst sich mit aktuellen Themen aus Brüssel