Brüsseler Spitzen - „Gier wird die Welt zerstören“

Dieses Zitat von Papst Franziskus fasst die Ereignisse gut zusammen, die in der vergangenen Woche die Plenarsitzung im Europaparlament geprägt haben. Zum einen die Debatte um die Steuervermeidung, die einige Staaten Europas, unter anderem Luxemburg, großen Unternehmen in Europa ermöglichen. Zum anderen die eindrucksvolle Rede Papst Franzikus’ vor dem Europaparlament. Seine Rede hat uns daran erinnert, dass Europa wieder zum Protagonisten der eigenen Geschichte und des eigenen Schicksals werden muss, in Vertrauen auf die Menschen und basierend auf Menschenwürde.

Papst Franziskus hat uns an die Opfer erinnert, die gebracht wurden, damit wir heute dort stehen können, wo wir sind – friedlich, demokratisch, einig. Er hat uns an die Ideale erinnert, die Europa einmal inspiriert haben – und dass diese um jeden Preis verteidigt werden müssen, die Einheit Europas, die Achtung der Menschenrechte und die Solidarität der Länder untereinander. Es ist immer gut, innezuhalten, um sich mal wieder darauf zu besinnen, warum wir dies alles tun, was eigentlich die Idee ist, die oft in den Kleinigkeiten des Alltags verloren geht. Vor allem aber ist die Verteidigung der Ideale, die uns auf den Weg zu einem geeinten Europa brachten, der Gegenentwurf zu dem blanken Zynismus, mit dem einige Länder in Europa „Steuervermeidungsmodelle“ auflegen. Steuern vermeiden können letztlich nur große Unternehmen auf Kosten anderer Länder und deren Bürger. Die verschachtelten Steuersparmodelle des Luxemburger Fiskus bedeuten nichts anderes als dass genau das Geld, das Großkonzerne wie Ikea, amazon oder FedEx sparen, an anderer Stelle fehlt – nämlich in Schulen, Straßen und Einrichtungen, die Menschen helfen. Konkret bedeutet das, dass die luxemburgische e.on Tochter 2012 mehr als 130 Millionen Euro eingenommen und dafür effektiv 1.600 Euro Steuern gezahlt hat. Das durchschnittliche Gehalt von Erzieherinnen und Erziehern liegt hier bei 2.200 Euro brutto monatlich, da zahlt man durchschnittlich 3.930 Euro Einkommenssteuer im Jahr ohne Zugriff auf Steuervermeidungsmodelle.

Die Praxis derartiger Steueroasen verletzt nicht nur die Glaubwürdigkeit des ehemaligen Finanzministers Luxemburgs und heutigen Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker, sondern, was schwerer wiegt, auch die Glaubwürdigkeit der Einheit Europas. Deshalb muss sofort reagiert werden – wir brauchen eine umfassende Gesetzesinitiative zum Kampf gegen Steuervermeidung, es muss Schluss sein mit den Steuertricks, es muss Schluss sein damit, dass sich wenige auf Kosten vieler bereichern. Behalten wir die Worte von Franziskus im Ohr und verlieren uns nicht im parteipolitischen Gezänk, im alltäglichen Klein-Klein – wir müssen uns die Ideale vor Augen halten, die Europa inspiriert haben – die der Einheit Europas und der Solidarität der Länder untereinander.

Meine Kolumne “Brüsseler Spitzen” erscheint alle 14 Tage im Gelnhäuser Tageblatt und befasst sich mit aktuellen Themen aus Brüssel