Europanews Juli 2015 - Sonderausgabe Griechenland

EuropaNews Juli 2015

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Genossinnen und Genossen,

die Griechenland-Krise hat sich in den vergangenen Wochen extrem zugespitzt und uns in Atem gehalten. Der sogenannte „Grexit“ – das Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone – stand tagelang spürbar im Raum. Doch wer ihn befeuern wollte, hat letzte Woche deutlich verloren. Die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten der Eurozone haben sich darauf geeinigt, die notwendigen Schritte für Verhandlungen um ein drittes Hilfspaket für Griechenland einzuleiten. Eine Einigung die zwar mehrere Anläufe benötigte, am Ende jedoch einen Sieger hervorbrachte: die Vernunft. Denn ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone ist ein unkalkulierbares Risiko. Nicht nur aufgrund der zu erwartenden wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen und der drohenden humanitären Krise, sondern auch im Hinblick auf die Stabilität und Zukunft des europäischen Projekts.

Angesichts der historischen Dimension eines möglichen Zusammenbruchs der Eurozone war die dogmatische Prinzipienreiterei von Teilen der Bundesregierung fehl am Platz. Das deutsche Vorpreschen und der unsensible Einsatz des politischen Gewichts waren nicht zielführend sondern gefährlich. Vielmehr waren es insbesondere der geduldige Einsatz des Präsidenten der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, sowie das Wirken des französischen Staatschefs Hollande sowie des italienischen Ministerpräsidenten Renzi, die letztendlich zu einer Einigung im Sinne Europas geführt haben. Auf dem Höhepunkt der Krise hat auch der in letzter Zeit oft vermisste deutsch-französische Motor endlich wieder entscheidenden Antrieb geleistet.

Dieser Tage kehrt nun ein Stück Normalität in den griechischen Alltag zurück. Jetzt muss es darauf ankommen, die Reformen tatkräftig anzupacken. Dazu gehören die Modernisierung staatlicher Strukturen und insbesondere der Aufbau eines effektiven Steuersystems. Alexis Tsipras hat sich endlich positioniert. Er soll sich der Stärkung der Schwächsten der Gesellschaft widmen, gegen Steuerflucht und die Macht der Oligarchen vorgehen. Dass das griechische Parlament gewillt ist, die Dinge anzupacken, haben sie auch diese Woche mit der Verabschiedung des nächsten Reformpakets bewiesen.

Doch nicht nur die griechische Regierung muss liefern. Die letzten Monate haben nochmals überdeutlich gezeigt, dass es Europa an verlässlichen Mechanismen fehlt, um Krisen auszusteuern. Die Troika-Politik der letzten Jahre ist gescheitert, ohne, dass jemand dafür Verantwortung übernimmt. Parlamentarische Kontrollmechanismen müssen künftig viel mehr Gewicht bekommen. Nicht zuletzt, weil sie mehr Pragmatik in die Verhandlungen bringen können. Es gilt dabei die Ängste der Griechen vor Verelendung genauso ernst zu nehmen wie die der Deutschen, beständig Zahlmeister Europas zu sein – ohne beide gegeneinander auszuspielen. Wenn die von Tsipras geführte Regierung es schafft, die Korruption so entschieden anzugehen, dass diejenigen, die ihr unter die Arme greifen, auch wissen, dass ihre Hilfe nicht versandet, kann neues Vertrauen geschaffen werden.

Mit solidarischen Grüßen,
Udo Bullmann