"Finanzminister müssen ihre Blockade gegen Steuerfairness aufgeben"

Mit zwei Richtlinien will die EU-Kommission die Unternehmensbesteuerung in Europa einheitlicher und fairer gestalten. „International tätige Konzerne wie Starbucks zahlen oft weniger Steuern als der kleine Bäcker von nebenan. Denn im Gegensatz zu ihren lokalen Wettbewerbern fällt es ihnen leicht, die Unterschiede in nationalen Steuersystemen auszunutzen und gegeneinander auszuspielen. Gewinne werden dann einfach getarnt und innerhalb des Konzerns verschoben, bis der Steuerbescheid nur noch lachhaft kleine Beträge ausweist. Die von der Kommission vorgeschlagenen Regeln sagen diesen Zuständen den Kampf an. Das ist gut so und in der Tat überfällig“, so Udo Bullmann, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament.

Durch eine einheitliche Definition der Besteuerungsgrundlage, um die es im ersten der beiden am Mittwoch im Wirtschafts- und Währungsausschuss vorgestellten Berichte geht, will die Kommission solche Praktiken zukünftig erschweren. „Damit säßen die Steuerzocker in der Falle und müssten sich in Europa endlich in angemessener Form an der Finanzierung des Gemeinwesens beteiligen.“ Daneben strebt der Kommissions-Vorschlag auch eine Modernisierung der Unternehmensbesteuerung an. So sollen steuerliche Anreize zur Fremdfinanzierung von Investitionen beseitigt werden, um die Überschuldung von Unternehmen nicht durch das Steuersystem zu fördern. Gleichzeitig sollen gezielte Impulse für mehr Investitionen in Forschung und Entwicklung gesetzt werden. „Das ist moderne Gesetzgebung im Sinne von mehr Gerechtigkeit und nachhaltigem Wachstum – und in dieser Form nur noch durch Europa, nicht aber durch nationale Alleingänge zu erreichen“, so Udo Bullmann.

Mit der zweiten vorgestellten Richtlinie schlägt die EU-Kommission eine konsolidierte Abführung von Unternehmenssteuern in der Europäischen Union vor. „Mit einer konsolidierten Abführung der Unternehmenssteuer, die den Unternehmen vorschreibt, in welchem Land welche Abgaben zu leisten sind, sollen sich große Unternehmen künftig nicht mehr selbst aussuchen können, wo sie welche Gewinne angeben“, sagt Udo Bullmann. „Bei der Ausgestaltung dieses Mechanismus ist jedoch Vorsicht geboten. Hier wird es entscheidend darauf ankommen, dass die richtigen Kriterien bei der Festsetzung der nationalen Anteile an der Gesamtsteuerlast einzelner Unternehmen herangezogen werden. Für uns Sozialdemokraten ist jedenfalls klar, dass auch die digitale Präsenz von Unternehmen in den verschiedenen nationalen Märkten berücksichtigt werden muss. Darüber hinaus werden wir sehen müssen, dass eine kluge und praktikable Lösung zustande kommt.“

Die Fraktion der europäischen Sozialdemokraten wird sich aktiv an der Ausgestaltung der Gesetzgebung beteiligen und stellt mit dem Niederländer Paul Tang einen der zwei Berichterstatter des Europaparlaments. „Gemeinsam mit Paul bemühen wir uns darum, dass auch die Festsetzung von Mindestsätzen für die Unternehmenssteuer Teil der Gesetzgebung wird. Sicherzustellen, dass nicht nur wenige, besonders große, sondern möglichst viele multinationale Unternehmen von diesen Regeln erfasst werden, ist ein weiteres unserer Ziele“, so Udo Bullmann.

Ähnliche Vorschläge der Kommission aus dem Jahr 2011 waren am Widerstand der EU-Regierungen gegen eine Harmonisierung gescheitert. „Schäuble und seine Kollegen in den Finanzministerien müssen ihre Blockade im Rat gegen eine faire Unternehmensbesteuerung jetzt aufgeben, wenn es in der Europäischen Union künftig wirtschaftlich gerechter im Sinne der Bürgerinnen und Bürger zugehen soll“, so Udo Bullmann.

Die aktuellen Vorschläge sind sogenannte Ratsrichtlinien, bei denen das Europäische Parlament Änderungen vorschlagen kann. Das Plenum könnte noch in diesem Jahr darüber abstimmen, wobei Widerstand aus dem Rat oder anderen Fraktionen die Entscheidung verzögern kann.